Kapitel 29


2004-7-6

Harter Stein drückt kalt gegen ihre Knochen. Nur eine dünne Lage Stroh isoliert die tödliche Kälte. Ein drückender Kopfschmerz bestimmt ihre Wahrnehmung. Sie liegt am Boden. In großer Höhe über ihr scheint weißes Licht durch ein kleines Fenster. Der Raum um sie herum mißt kaum drei Meter bis zu den runden Wänden. Direkt vor ihr unterbricht eine massive Holztür die Rundung der Wand. Die Beschläge sind mit Grünspan bedeckt. Ein eng vergittertes Guckloch vervollständigt den Eindruck eines Kerkerlochs. Ein plötzlicher Schmerz durchfährt Lucis ganzen Körper, als sie versucht, sich in eine sitzende Position zu bringen. Ihr Handgelenk beginnt wieder zu pochen und bereichert ihren Kopfschmerz um eine rhythmische Komponente. Als Luci sich endlich aufgesetzt hat, steht ihr der Schweiß auf der Stirn, und ihr Atem geht stoßweise. Um sie herum droht die Welt wieder in Dunkelheit zu versinken. Ihre Umgebung verschwimmt in unscharfe Schemen, als sie versucht, ihr Gefängnis näher zu betrachten. Undeutlich hört sie schlurfende Schritte und das Geräusch von einem Schlüsselbund.

"Sso ssieht man sick widd´r, mein Kint. Prav, tu hasst mein´n Rrat befolkt. Unt nun bisst tu hirr, im Schloss. Tu wirrst ein´ schönn Spielzeuk fürr tie Herr´n, wenn ter Wein ersst dass Kift auss tein´n Aterrn gespüllt hatt. Junk unt heiss..."

Eine pelzige Pfote greift ihr unter die Arme und hilft ihr auf. Unter der Kapuze mustern sie zwei gelbe Punkte, Barthaare streifen ihr Gesicht.

"Komm, stützz dick auf Maran. Tass mit den Keisterrwölfen tut mir leit. Tein Plut wärr merr werrt ohn´ tass Kift."

Luci stützt sich auf die untersetzte Gestalt und läßt sich willenlos führen. Lange Korridore, nur erleuchtet von qualmenden Fackeln, endlose Treppenfluchten in fahlem Mondlicht, der leichte Duft nach Moschus, den Maran ausströmt, das alles nimmt sie nur am Rande wahr. Im Zentrum ihres Seins steht nur das stete Pochen, der Schmerz und der Wunsch nach Schlaf, traumlosen, ewigen Schlaf.

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Martin Spernau
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